Musikalische Formenlehre im Musikunterricht

- von René Frank –

 

Verschiedene Formen in der Musik

a) Dreiteilige Liedform

Die Dreiteilige Liedform ist besonders im Volks- und Kinderlied sehr oft anzutreffen, da sie nach einem ganz einfachen Muster aufgebaut ist, das aus nur 2 Teilen besteht:

A – B – A

Nach der ersten musikalischen Idee (A) steht ein Zwischenteil (B) an den sich nochmals der erste Teil (A) anschließt.

In der Literatur gibt es hierfür viele Beispiele:

Morgen kommt der Weihnachtsmann

Alle Vögel sind schon da

Summ, Summ, Summ

Weißt du wie viel Sternlein stehen ?

 

 

b) Rondo

Die Dreiteilige Liedform hat nur einen Mittelsatz. Wenn statt des einen Zwischensatzes nun zwei oder drei erscheinen, dann ergibt sich die Rondoform:

A – B – A – C – A – D – A

Das Rondothema (A) erscheint immer wieder nach jedem Zwischensatz. Zum Rondothema, das meist schnell und beschwingt ist, bilden die Zwischensätze eine Fortführung oder einen Gegensatz.

Häufig liegt dem Rondo eine bestimmte harmonische Gliederung zu Grunde:

Bei einem Rondo in C-Dur: A= Tonika (C-Dur)

B= Parallele (a-Moll)

C= Dominante (G-Dur)

D= Subdominante (F-Dur)

c) Kanon

Sehr verbreitet ist der Kanon als die strengste Form der Polyphonie (Vielstimmigkeit).

Er entsteht dadurch, dass alle Stimmen nacheinander die gleiche Melodie haben. Beliebt sind besonders die Singkanons im Einklang und in der Oktav.

In den Volkslieder und Kinderliedern aber auch in den neueren Kirchenliedern gibt es viele Beispiele für einen Kanon:

Der Hahn ist tot

Lachend kommt der Sommer

Hejo, spann den Wagen an

Himmel und Erde müssen vergehn

Vom Aufgang der Sonne

Jeder Teil dieser Erde

 

 

d) Refrainlied

Ein Refrainlied besteht aus zwei verschiedenen Teilen, nämlich den Strophen und dem Refrain. Der Refrain wird immer nach (oder vor) jeder Strophe gesungen. Die Anzahl der Strophen ist unbegrenzt. Im Vergleich zu einem Rondo ist die Melodie der einzelnen Strophen jedoch immer gleich, nur der Text ändert sich.

Somit ist ein Refrainlied immer ein Vokalstück mit dem Schema A – B – A – B – A etc.

Auch hierfür gibt es Beispiele in der Volksmusik; aber auch in der Popmusik wird das Prinzip des Refrainliedes gerne verwendet.

Die Affen rasen durch den Wald

Die fleißigen Waschfrauen

Wir lieben die Stürme

Country Roads

Knocking on heavens door


e) Ouvertüre

Eine rein instrumentale musikalische Form ist die Ouvertüre. Der Name kommt vom französischen Zeitwort ouvrir (= öffnen) und bezeichnete ein Orchesterstück mit dem eine Oper oder ein Schauspiel eröffnet wird. Die älteren Ouvertüren stehen in der o.g. dreiteiligen Form.

Unterschieden werden zwei Typen:

Die französische Ouvertüre mit der Folge LANGSAM – SCHNELL – LANGSAM

Die italienische Ouvertüre mit den Sätzen SCHNELL – LANGSAM – SCHNELL

Zu ersteren gehören die Ouvertüren zu Händels Opern, zu letzterem die Opern von Scarlatti und z.B. die Ouvertüre zu Mozarts „Die Entführung aus dem Serail"


f) Suite

Die beliebteste und wichtigste Form in der Klaviermusik des 17. und 18. Jahrhunderts ist die Suite (= Folge).

Wie bereits der Name sagt besteht sie aus einer Folge von verschiedenen Tänzen. In der klassischen Suite sind das

Allemande, Courante, Sarabande, Gigue.

Die Tänze selbst stehen in der zweiteiligen Liedform A –B.

Wenngleich ihr innerer Aufbau identisch ist, unterschieden sich die Tänze in Takt, Tempo und Rhythmus


g) Sonate

Die Sonate bezeichnet immer ein Instrumentalstück im Gegensatz zu einer Kantate, die ein Vokalstück darstellt.

Die sogenannte Sonatenform ist immer dreiteilig und hat ein striktes Schema:

1. Exposition 2. Durchführung 3. Reprise

Die Exposition stellt das Thema oder die Themen vor, wobei das Hauptthema in der Tonika steht. Danach folgt eine Überleitung zur Dominante, in der der Rest der Exposition (Seitenthemen, Schlussthema etc.) steht.

Die Durchführung bringt eine Verarbeitung des thematischen Materials. Viele Tonarten können hierbei durchlaufen werden, aber am Schluss endet die Durchführung in der Tonika.

Die Reprise beginnt in der Tonika und nimmt die Exposition wieder auf. Alle Seitenthemen werden in der Tonika gespielt, womit auch die Reprise endet.

 

 

 

h) Fuge

Die Fuge ist die wichtigste aller Formen des polyphonen Stils. Im Gegensatz zur Sonate entwickelt sie sich aus einem einzigen Thema (teilweise aus einem einzigen Motiv) das Dux (= Führer) genannt wird. Es wird in der Quinte imitiert bzw. beantwortet. Diese Antwort heißt Comes (= Gefährte).

Alle Fugen haben den gleichen Aufbau:

Exposition, 2. Durchführung und 3. Schlussteil.

Das folgende Bild erläutert den Ablauf einer Fuge genauer.

 

 

Unterrichtsrelevante Formen

 

Im Musikunterricht der Grundschule und Sekundarstufe haben die „einfacheren" Formen a) bis d) (Dreiteilige Liedform; Rondo; Kanon und Refrainlied) Platz und sollten verständlich behandelt werden.

Vereinfacht wird die Behandlung der Formen im Unterricht dadurch, dass es zu allen Formen Liedbeispiele gibt, die einfach mit den Kindern gesungen und ausprobiert werden können.

 

Möglichkeiten der Umsetzung für den Schulunterricht

Um abstrakte Themen wie „Musikalische Formen" für Schüler verständlich zu machen, müssen die Formen fassbar werden.

Mit „fassbar" meine ich, dass der Schüler durch verschiedene Hilfsmittel und didaktische Methoden erkennen kann, dass hinter dem gesungenen Lied ein klarer Aufbau, eben eine „Form" steht.

Auf den ersten Blick fällt so was dem Schüler nicht auf.

Vielleicht gibt es einige musikalische Kinder in den Klassen, die beim Singen oder Musizieren einzelne Teile im Lied wiedererkennen (bes. bei der Dreiteiligen Liedform) aber mit dem bewussten Einsatz von Hilfsmitteln lassen sich die Strukturen herausarbeiten.

Hierfür möchte ich folgende Ansätze aufzeigen:

a) durch den Einsatz von Farben bzw. farblicher Markierung

b) durch einfache Bewegungsformen

c) durch geometrische Formen oder Bilder

d) durch verschiedene Gegenstände

e) durch das Begleiten mit verschiedenen Instrumenten

 

zu a)

Farbliche Unterscheidung ist für die visuelle Ebene des Lernens sehr bedeutend. Auf einen Blick erkennt der Schüler, dass verschiedenen Farben unterschiedliche Teile eines Musikstückes darstellen.

Gleiche Farben zeigen gleiche musikalische Ideen auf.

Der Einsatz von Farben kann vielfältig sein und ist insbesondere für Rondo, Refrainlied und Dreiteilige Liedform geeignet.

Auf der Overheadfolie oder dem Notenblatt werden die A-Teile farblich anders markiert als die B-Teile. Auch C-, D-, oder E-Teile bekommen jeweils eine neue Farbe.

Taucht der z.B. A-Teil nochmals in dem Stück auf, wird er wieder in der selben Farbe markiert wie am Anfang.

Um die ganze Klasse beim Singen auf die verschiedenen Teile aufmerksam zu machen eigenen sich sehr gut „Farbkärtchen". Bei jedem Teil wird die vorher vereinbarte Farbe hochgehalten, so dass alle Schüler sehen, wann ein Liedteil beendet ist und wann ein neuer anfängt.

 

zu b)

Um im Musikunterricht körperlich aktiv zu werden bietet die Formenlehre auch verschiedene Möglichkeiten.

Dazu muss die Klasse in so viele Gruppen geteilt werden wie verschiedene Formteile im Lied vorkommen. Bei einem Rondo mit z.B. 3 Zwischenteilen bräuchte man demnach 4 Gruppen in der Klasse. (Rondohauptthema plus 3 Zwischenteile)

Bei jedem Zwischenthema steht eine Gruppe der Klasse auf und singt den Teil und setzt sich danach wieder. Für das Hauptthema steht immer eine bestimmte Gruppe auf während alle anderen Gruppen sitzen (Variante: Beim Hauptthema singen und stehen alle, während nur für die Zwischenthemen einzelne Gruppen aktiv werden).

Natürlich können die einzelnen Teile auch nur von verschiedenen Gruppen gesungen werden, ohne dass Bewegung in die Klasse kommt, aber eine Koppelung von Singen und Bewegung intensiviert nochmals das Verständnis für die Formteile.

 

zu c)

Farbliche Unterscheidung von Formteilen ist eine sehr markante Methode der Differenzierung, aber darüber hinaus gibt es noch andere visuelle Möglichkeiten die einzelnen Teile eines Liedes gegeneinander abzugrenzen und hervor zu heben.

Es bieten sich einfache geometrische Formen an, die sich leicht voneinander unterscheiden lassen.

Der Ablauf einer Dreiteiligen Liedform ließe sich dann so darstellen:

              

 

Oder mit einfachen Bildern wird ein Rondoablauf gezeigt:

 

 

Der Stern steht hierbei immer für das Hauptthema, während Schneemann, Auto und Eisenbahn für B-Teil, C-Teil und D-Teil stehen.

Die Schüler könnten zu den Bildern ein auch instrumentales Rondo hören und immer verfolgen wann der „Stern" wieder in der Musik zu hören ist.

 

zu d)

Eine weitere Möglichkeit für die Schüler im Unterricht aktiv zu werden ist die Benutzung von Gegenständen zur Kennzeichnung eines Formteiles.

Wird z.B. bei einem Refrainlied die Strophe gesungen, nehmen die Schüler einen Bleistift aus ihrem Mäppchen. Wird der Refrain gesungen, muss das Lineal aufgenommen werden.

Gegenstände aus dem Equipment der Schüler bieten sich an, da sie in ausreichender Anzahl vorhanden sind, aber auch das Bereitstellen von bestimmten Gegenständen durch den Lehrer ist möglich, wie z.B. in Form von Bauklötzchen, Steinen, Holz, Bällen, Perlen, Murmeln, etc.

zu e)

Die Variante, einzelne Formteile mit verschiedenen Instrumenten zu begleiten ist eher für fortgeschrittene Klassen gedacht, denn dazu muss den Schülern erst mal das Stück auf den Instrumenten beigebracht werden.

Bei erfolgreichem Lernen, ist dies Variante aber meiner Meinung nach deshalb gut, weil sie nicht nur visuell die Formteile differenziert sondern auch auditiv. Die Schüler hören , dass in einem neuen Teil des Liedes ein anderes Instrument spielt und der spielende Schüler erfährt aktiv, wo ein Teil endet und der nächste anfängt.

Nach und nach sollten die Instrumente unter Schülern getauscht werden, damit jeder einmal alle Formteil „erfahren" hat.

In der Kombination aus farblicher Gestaltung der Teile auf dem Notenblatt, Singen in verschiedenen Gruppen, Bewegung durch Sitzen und Stehen, der Darstellung durch Bilder und das aktive Erfahren der Abschnitte im Lied durch eigenes Musizieren bringt den Schülern die verschiedenen musikalischen Formen auf vielfältige Art und Weise nahe:

visuell, auditiv und haptisch .

Und somit wird die trockene Theorie von mehreren Seiten zugänglich gemacht und für jeden Schüler sollte eine Möglichkeit dabei sein, aus der er persönlich lernen kann.

 

© René Frank, 63150 Heusenstamm ; September 2003

 

 

 

Literaturnachweis :

Söhner, Paul, Allgemeine Musiklehre, München 1979

Renner, Hans, Grundlagen der Musik, Stuttgart 1983

Da Capo, Liederbuch der KSJ Amberg, Amberg 1997

Die Schönsten Kinderlieder, Hamburg 1996

Frank, René, Das Neue Geistliche Lied, Marburg 2003

 

 

ANHANG:

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