„... Wird auch die
Materie gerettet oder nicht?"
Der Retter sagte:
" Alle Natur, jede Gestalt und jede Kreatur besteht in- und miteinander und
wird wieder zu ihren eigenen Wurzeln hin aufgelöst. Denn die Natur der Materie
kann sich nur zu ihren eigenen Wurzeln hin auflösen. Wer Ohren hat zu hören,
der höre!"
Da sprach
Petrus:" Du hast uns alles erkennen lassen, sag uns nun auch noch dies:
Worin besteht die Sünde der Welt?"
Der Retter sprach:
„ In Wahrheit gibt es keine Sünde, sondern ihr macht Sünde durch euer Tun.
Sie kommt (zum Beispiel) aus der Natur der zerbrochenen Ehe. Das nennt einer Sünde.
Deswegen aber kam das Gute in die Mitte, hin zum Wesen jeder Natur, um so wieder
in ihre Wurzel einzufügen."
Und er sprach
weiter:
„Deswegen entsteht
auch ihr, und deswegen sterbt auch ihr ... Wer es fassen kann, der soll es
fassen!
Es gibt ein Leid,
das nicht verglichen werden kann. Es ist aus einem gegenüber der Natur hervor
gegangen. Daher entsteht eine Verwirrung überall am Leibe. Und deswegen habe
ich Euch gesagt: Habt Mut! Auch wo ihr Mut nicht habt, habt dennoch Mut! Denn
ihr seht doch, die Gestalten der Natur , sie sind verschieden.
Wer Ohren hat zu hören,
der höre!"
Als der Selige das
gesagt hatte gab er allen den Gruß (Kuss) und sprach:
„Frieden mit euch!
Mühet euch um meinen Frieden. Hütet euch, dass niemand euch abirren lasse mit
den Worten: Seht hier, Seht da! Denn der Sohn des Menschen ist inwendig in euch.
Ihm sollt ihr nachgehen! Wer ihn sucht, wird ihn finden. Geht also und predigt
das Evangelium der Herrschaft (Gottes)!
Ich habe euch kein
anderes Gebot gegeben, nur das, worin ich euch unterwiesen habe. Und ich habe
euch kein Gesetz gegeben, wie Gesetzesstifter tun. Ihr sollt nicht durch das
Gesetz ergriffen werden."
Als er so sprach,
wurde er unsichtbar.
Sie aber war
traurig, weinten und sprachen: „Haben wir jetzt zu den Völkern hinaus zu
gehen, um das Evangelium vom Menschensohn zu predigen?"
Da erhob sich Maria,
gab allen den Gruß (Kuss) und sprach zu den Brüdern: „Weint nicht, trauert
nicht und zweifelt nicht, denn seine Huld wird mit euch sein und euch hüten.
Lasst uns seine Größe rühmen, denn er hat uns hergerichtet und aus uns
Menschen gemacht."
Indem dies Maria
sagte, wendete sie den Sinn derer, die ihr zuhörten, zum Guten, und sie
begannen über die Worte des Retters miteinander zu reden.
Petrus sprach zu
Maria:
„Schwester, wir alle wissen, dass der Retter dich lieber hatte als die anderen
Frauen. Sage du uns Worte des Retters, derer du dich erinnerst und die du
kennst, wir aber nicht, weil wir sie auch nicht gehört haben."
Da fing sie an,
ihnen diese Worte zu sagen:
„Ich" sprach
sie „ich sah den Herrn im Traum und sprach zu ihm: Herr ich sah dich heute in
einem Traum! Er gab Antwort und sprach zu mir: Segen über dich, da du nicht
strauchelst bei meinem Anblick. Denn wie euer Herz ist, wird auch eure Kraft zu
sehen sein.
Ich sprach zu ihm:
Herr, sieht ein Mensch im Traum, den er sieht, durch die Seele oder durch den
Geist?
Der Retter gab
Antwort und sprach: Er sieht weder durch die Seele noch durch den Geist, sondern
durch die Mitte und von beidem sieht der Traum durch den Sinn.
(...)
Und das Verlangen
sprach: Ich sah nicht, wie du herankamst. Jetzt aber sehe ich, wie du
hinaufsteigst. Warum lügst du also?
Die Seele antwortete
und sprach: Ich habe dich durchaus gesehen, aber du hast mich nicht gesehen, du
hast mich nicht erkannt. Obwohl du ein `Kleid' war's, hast du mich nicht
erkannt.
Als sie dies gesagt
hatte, jubelten sie in Freude und gingen davon. Darauf kam sie zur dritten
Gewalt. Man nennt sie Unwissenheit. Diese wollte die Seele ausprüfen: Wohin
gehst du? Du bist in der Tat gefangen, in der Sünde ergriffen. Richte also
nicht!
Aber die Seele
sprach: Worum richtest du mich, wo ich dich nicht richten soll? Zwar bin ich
ergriffen worden, aber ich selbst habe nicht zugegriffen. Ich bin nicht erkannt
worden, aber ich habe erkannt, dass nämlich das ganze Universum frei wird,
himmlisches wie irdisches.
Nachdem die Seele
die dritte Gewalt hinter sich gelassen hatte, stieg sie hinauf vor die vierte
Gewalt. Die war siebengestaltig. Die erste Gestalt ist die Finsternis, die
zweite das Verlangen, die dritte die Unwissenheit, die vierte die Bringerin des
Todes, die fünfte der Bereich des Fleisches, die sechste das dumme Verlangen
des Fleisches, die siebente das Wissen des ...
Das sind die sieben
Genossen des Zornes. Diese fragen die Seele: Woher kommst du, du hast Menschen
getötet? Und wohin gehst du, du überwindest Raum?
Die Seele antwortete
und sprach: Getötet ist worden, was mich festhielt, was mich umwendete, ist
umgewendet. Mein Verlangen ist zu Ende. Meine Unwissenheit ist gestorben. In der
Welt wurde ich gerettet aus der Welt durch eine hohe Gestalt. Ich wurde gerettet
aus der Fessel, nicht zu erkennen. Dies besteht nur auf Zeit. Von jetzt an werde
ich Ruhe erlangen. Dies ist der richtige Zeitpunkt. Ich werde Ruhe erlangen im
Schweigen."
Als Maria das gesagt
hatte, schwieg sie. Dies war, was der Retter zu ihr geredet hatte.
Andreas aber sprach
dawider und sagte zu den Brüdern: „Sagt doch, wie denkt ihr über das, was
sie gesagt hat? Ich glaube nicht, dass der Retter so geredet hat. Seine Lehren
haben eine andere Bedeutung."
Da redete Petrus
dawider und fragte seine Brüder über den Retter: „ Sollte er tatsächlich
mit einer Frau allein gesprochen und uns ausgeschlossen haben? Sollten wir ihr
etwa zunicken und alle auf sie hören? Hat er sie uns vorgezogen?"
Da weinte Maria und
sprach zu Petrus: „Mein Bruder Petrus, was sagst du da! Meinst du, ich hätte
dies alles selbst ersonnen in meinem Herzen und würde so über den Retter lügen?"
Da nahm Levi das
Wort und sprach zu Petrus: „Mein Bruder Petrus, du bist von jeher aufbrausend.
Und jetzt sehe ich, wie du dich gegen diese Frau groß machst, als hättest du
einen Rechtsgegner. Wenn aber der Retter sie für Wert genug hielt- wer bist
dann du, dass du sie verwürfest? Sicherlich kennt der Retter sie ganz genau.
Und deshalb hat er sie auch mehr als uns geliebt.
Wir sollen uns also
schämen und den endgültigen Menschen anziehen. Wir sollen werden, wie er uns
angewiesen hat und das Evangelium predigen, ohne dass wir eine Weisung oder ein
Gesetz geben, es sei denn das, indem uns der Retter unterwiesen hat."
Als Levi (sonst auch
Matthäus) das gesagt hatte, rüsteten sie sich, auszurufen und zu predigen.
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